Carmen Kannengießer: KNIEPROBLEME – CMD MIT FERNWIRKUNG
MIT EINFACHSTEN ZAHNÄRZTLICHEN MAßNAHMEN IN KURZER ZEIT ZUR VOLLEN BEWEGLICHKEIT
Es ist inzwischen unumstritten, dass funktionelle Beziehungen zwischen dem craniomandibulären System (CMS) und anderen entfernteren Körperregionen bestehen. Plato, Kopp (2003), Goodheart, Gerz (2001) und Gelb (1997) beschreiben, dass nicht nur Kopf- und atypischer Gesichtsschmerz, sondern auch Schmerzen im Bereich des Beckenbodens mit Störungen im CMS vergesellschaftet sein können. Kopp und seinen Mitarbeitern gelang es 2003 zu belegen, dass Veränderungen der antagonistischen Kontaktbeziehungen der Zähne einen direkten Einfluss auf Veränderungen der Wirbelsäule haben.
Die Erklärung dafür sind anatomische und funktionelle Zusammenhänge: die große Bedeutung des Kiefergelenkes ist an seiner überproportionalen sensorischen Repräsentation im Gehirn, an der kraftvollen Kaumuskulatur sowie seiner Bedeutung für die gesamte Körperhaltung, die Koordination sowie neurologische Organisation u. a. m. zu erkennen. Die Stellung und die Motilität des Sphenoids ist primär, abhängig von den Mm. Pterygoidei, die des Os Temporale, des Os Parietale und Os Zygomaticum von den äußeren Kaumuskeln. Kopf und Unterkiefer können „Spielball“ der Kopf- und Nackenmuskulatur sein (Lotzmann, 2002). Vom N. Trigeminus können Störungen aller anderen Hirnnervenfunktionen ausgelöst werden. Die IKP als der maximale Zusammenschluss von OK und UK-Zähnen im maximalen Vielpunktkontakt ist entscheidend für die Stellung der Mandibula in der Fossa.
Schupp (2000), der in seiner Arbeit „Schmerz und Kieferorthopädie“ ebenfalls eine interdisziplinäre Betrachtung kybernetischer Zusammenhänge anstellt, postuliert, dass der Untersucher von CMD- Patienten außer der Kiefergelenksuntersuchung weitere Screeningverfahren benötigt. Als besonders geeignet stellt er hier die Untersuchungsmethoden aus der Manuellen Medizin und die der „Applied Kinesiology“ (AK) nach Goodheart (?) heraus.
Letztere ist besonders gut geeignet für solche Fälle, bei denen die CMD primär stumm sein kann, d.h. der Patient spürt nur deren Fernwirkung. Folgende Fälle zeigen, dass es unverzichtbar ist, hier nach einer versteckten CMD zu fahnden.
ZWEI BEHANDLUNGSFÄLLE AUS DER ZAHNÄRZTLICHEN PRAXIS
Pat. S. I., geb. 31.01.59, weibl.
Vorstellung: 28.04.04
Anamnese:
starke Schmerzen im linken Knie, besonders hinten, kann kaum
laufen, Diagnose des Chirurgen vom Vortag: li. Kniekehle med. reflexarme Zone von 25,9 x 7,6 x 7,1 mm –> V. a. Bakerzyste!
re. Kniekehle ebensolche Strukturen von 15,2 x 4,6 x 8,7 mm –>
V. a. Bakerzyste Rö: Knie li. : kleine exostoseartige Ausziehung am Patellapol li., geringe Arthrose, MRT veranlasst, OP empfohlen
AK-Test:
n: RF re.; RF li. wegen starker Schmerzen nicht testbar, Pat. hatte
schon Probleme, sich auf die Liege zu legen Lasegue-Zeichen li. +
(ca. 20 °)
HC: TL Leerstrecke 22 und Zahn 23 –> NC: Kieferostitis D3,
Doppel-TL regio 22, Zahn 23 und Knie hinten,
O: TL 21 u. anderen Zähnen und Regionen im OK und UK li.
OPG, Rö regio 21-23:
OK: Zahnbestand:11-13 (13 Krone), 23-26 (23 mit Wurzelfüllung
u. apikaler Veränderung), 24-26 Brücke (25 fehlt),
OK- Modellgussprothese zum Ersatz von 14-17 und 22, 27
UK: 43-47 Brücke (44,45, 46 fehlen), 42 Wurzelfüllung, 34-36
Brücke (36 Anhänger)
Zahnärztliche Diagnose:
Restostitis regio 22 mit versprengtem Metall- oder Füllungsrest,
Periodontitis apicalis chron. an 23, Periodontitis apic. chron. an 13,
radix relicta 14? Insuffiziente OK- Modellgußprothese (Infraokklusion, 11 Jahre ohne Unterfütterung!)
Soforttherapie:
Abdrücke für OK Erweiterung und Unterfütterung, Restostitis-OP
mit Entfernung des versprengten Metall- o. Füllungsteilchens,
Extraktion 23, Arnika und Lymphomyosot nach Testung
Verlauf:
29.04.04
OK-Reparatur eingesetzt, deutliche Besserung, aber immer noch Knieschmerzen, Beugen des li. Knies noch nicht möglich, immer noch pos. TL an 22 u. Knie hinten, Neuraltherapie mit Lidocain an 22 nach Testung, zusätzlich Magnetfeld für Knie gemäß AK-Testung
30.04.04:
Ausgeprägte Erstverschlechterung, li. Bein wie steif, wird „nachgezogen“
danach:
ständige Besserung, von Tag zu Tag!
Bereits am 03.05.04:
Alles weg! Knie frei beweglich, Gehen ohne Einschränkung,
n: RF bds., Lasegue: fast 90°!
02.11.04:
Kontroll-Sonographie beim Chirurgen:
Kniekehlen bds.: keine Bakerzysten sichtbar!
Weitere Therapie:
Sanierung Period. apic. chron. 13 und Revision regio 14 im Sinne
der Vermeidung weiterer möglicher Dekompensation
Pat. K. K., geb.20.06.29, weibl.
Vorstellung am 07.10.04
Anamnese:
Seit Wochen stärkste Schmerzen im linken Knie, kann nur noch
am Stock gehen, weinte vor Schmerzen, ihr zweites großes Problem:
Abhusten von Schleim seit 20 Jahren, stört den Schlaf, Sodbrennen seit 20 Jahren, Probleme bei der Nahrungsaufnahme durch Verengungsgefühl in der Speiseröhre, Narbenschmerzen an Gallen- OP-Narbe seit 10 Jahren
• Gelbsucht als Kind und 1969 ( höchstwahrscheinlich Hep.B)
• Gallen-OP 1970
• Blinddarm-OP 1982
• Gebärmutterentfernung 1998
• häufige Nierenbeckenentzündungen, zuletzt 2003
• Lungenentzündung 2004
• oft Kieferhöhlenentzündungen bds., beide operiert
• chron. Gastritis
• Herzmuskelschwäche
• Impfungen: Pocken, Tetanus, Polio
• Derzeitige Therapie:
Lisi Hexal 20mg, Magentropfen: Spagyrische Mischung nach Dr.
Zimpel, weitere Homöopathika
Fremdbefunde:
Oberbauchsonographie von 2000: Pancreas. Leber, Gallenwege
postoperativ, Milz u. rechte Niere sonographisch unauffällig,
bekannte Zyste li. Niere in urolog. Kontrolle, Gastroskopie von 2000: Ösophagitis Grad II, ger. Gastritis möglich,
kein Ulcus- oder TM-Hinweis
Thoraxaufnahme von 2003: ZF/ Sinus frei, glatt begrenzt, Pulmokeine
frischen patholog. Infiltrationen,
Herz/Gefäßband- li. betontes Herz; beginnende Aortensklerose
Untersuchung mit AK:
h: PMC, PMS, LD, RF re.; RF li. wegen Schmerzen nicht testbar,
w: Nackenflexoren,
Palpation:
M. masseter, prof., re., suboccip.-Nackenmuslulatur li.: DS ++
M. trapezius re. DS +, li. DS ++
M. SCM re. u. li.: DS ++, re. ausstrahlend
M. Pterygoideus lat. re. DS: ++, li. DS +
M. Pterygoideus med. re. u.li. DS: ++
Mundbodenmuskulatur re. DS:++
Kopfrotation nach re. u. li. eingeschränkt, mehr nach li.
UK- Abweichung nach rechts
Lasegue re. 90°, li. unter Schmerzen 10°
NC: TL Gallen-OP-Narbe und Narbe nach Appendektomie,
SC: TL 33 –> NC: Kieferostitis D6, Doppel-TL 33/Knie, Calcium/
Magnesium citrate, Konstruktionsbiss nach COPA-Richtlinien
für Rekonstruktion der OK und UK-Prothesen –> sofortige
Schmerzfreiheit im li. Knie –> Beugen des li. Knies mögl., Lasegue
li. fast 90°, deutliche Reduktion der Palpationschmerzen der
Kaumuskulatur, Kopfrotation verbessert, Reduktion der Schluckbeschwerden,
„fühlt sich im Hals freier“
Zahnärztliche Untersuchung:
Zustand nach Neuanfertigung der OK-totalen Prothese ohne Anpassung der Okklusion der ca. 13 Jahre alten UK-Versorgung!, UKGeschiebeprothese zum Ersatz von 35-37 sowie 44-47, Krone 43 (43 mit Wurzelfüllung), Kronenblock 33,34 (33 mit Wurzelfüllung), keine apikalen Aufhellungen sichtbar
Weitere Befunde:
OK-Reparatur eingesetzt, deutliche Besserung, aber immer noch Knieschmerzen, Beugen des li. Knies noch nicht möglich, immer noch
- Ergebnis der Säure-Basen-Titration nach Sander: AQ: 32%
(nur gering übersäuert) - Vollblut: Defizite bei Calcium und deutlicher bei Magnesium
Soforttherapie:
- Weitere Umstellung der Ernährung (war von Dr. Z. bereits begonnen – umfassende Ernährungsberatung)
- Narbenentstörung der Körpernarben mit Ionensalbe
- Empfehlung zur manuellen Therapie am Kiefergelenk, Verordnung mitgegeben.
- Modifizierte Rocabadoübungen zur häuslichen Anwendung (Tochter ist Physiotherapeutin, übt mit ihr)
- Behandlung der Mineralstoffdysbalance mit den getesteten
Substanzen Calcium/Magnesium citrate (PE)
Geplante weitere Therapie:
- Extraktion des Zahnes 33
- Erweiterung der UK-Prothese um 33
- Wiederherstellung der Okklusion an OK-und UK-Prothese
Verlauf:
22.11.04:
Sodbrennen zu 90% besser, kann wieder auf der rechten Seite schlafen, hat weniger Schleimabsonderung
Extraktion des Zahnes 33, Abtrennung von Krone 3 (Patholog.-anatomische Begutachtung vom 24.11.04: Radikuläre Zyste)
24.11.04:
OK-UK-Prothesen nach Wiederherstellung der Okklusion wieder
eingesetzt. Pat. stellt sofort Verbesserung des Mundgefühls fest,
Prothesen liegen besser im Mund, Probeessen: geht viel besser!
29.11.04:
Anruf der Tochter: Mutter hat keine Schmerzen mehr im Knie, weder beim Laufen, noch in der Nacht, melden sich, wenn es Veränderungen geben sollte.
08.12.04:
Anruf: Pat. geht es sehr gut, fährt wieder Rad! Sodbrennen weg,
mit Zahn alles i. O., mit Prothesen keine Probleme, wünscht nur
Rezept für Ca/Mg, Vollblutkontrolle für Anfang 2005 empfohlen.
ZUSAMMENFASSUNG
Beide Fälle sind typische CMD- Fälle mit Fernwirkung, allerdings zusätzlich vergesellschaftet mit Störherden, letzterer auch mit einer massiven Mineralstoffdysbalance infolge von Ernährungsfehlern. Mit Hilfe der AKTestung und einfachen bio-logischen zahnärztlichen Maßnahmen war es möglich, bei Patientin 1 eine Knie- OP zu vermeiden. Die ganzheitliche Diagnostik und Therapie mit AK brachten der Patientin Nr. 2 nicht nur die Schmerzfreiheit im li. Knie, sondern auch Nachtschlaf, da sie nicht mehr husten muss. Ebenso hat sie das bisher 20 Jahre anhaltende Sodbrennen verloren, was sie sehr quälte.
In beiden Fällen wurde nicht nur mit „Applied Kinesiology“(AK) nach Goodheart therapiert, es wurde zahnärztlich orthopädisch nach den Prämissen des amerikanischen Zahnarztes und Schmerztherapeuten Prof. H. Gelb (1997) gehandelt, der da sagt: „Think orthopedic first, then
teeth!“
Dr. med. Carmen Kannengießer • Zahnärztin, carmenkannengiesser@hotmail.com
LITERATUR
- Baier-Wolf U, Kienle K (2003) Craniale Osteopathie und Applied Kinesiology, AKSE Verlag, Wörthsee
- Fink M et al.(2003) Kraniomandibuläres System und Wirbelsäule.
- Funktionelle Zusammenhänge mit der Zervikal- und Lenden-Becken-Hüftregion. Manuelle Medizin, Band 41, Nummer 6, 476-480, Springer-Verlag Heidelberg, 10/ 2003
- Gelb H (1997) Advanced Strategies in the Diagnosis of Temporomandibular Disorders, Hanau
- Gerz W (2001) Lehrbuch der Applied Kinesiology (AK) in der naturheilkundlichen Praxis, 2. Auflage, AKSE Verlag, Wörthsee
- Kopp S. et al. (2003) Beeinflussung des funktionellen Bewegungsraumes von Hals-, Brust-Lendenwirbelsäule durch Aufbißbehelfe. Eine Pilotstudie. Manuelle Medizin, Band 41, Nummer 1, 39-51, Springer, Heidelberg
- Lotzmann U. (2002) Okklusion, Kiefergelenk und Wirbelsäule. zm 9, 48, 9/2002
- Plato G, Kopp, S (1999) The jaw and chronic pain syndromes. Manuelle Medizin, Band 37, Nummer 3, 143-151, Springer, Heidelberg
- Schupp W. (2000) Schmerz und Kieferorthopädie. Eine interdisziplinäre Betrachtung kybernetischer Zusammenhänge. Manuelle Medizin, Band 38, Nummer 6, 322-328, Springer, Heidelberg